In der Fotografie-Szene werden sich hohe Investitionen gerne mal schön geredet. Als ich vor dem Kauf eines weitwinkligen Objektives für meine R-System Kamera von Canon stande und mich vor allem das Canon RF 28-70mm f/2.0 L USM reizte, las ich oft das Argument, dass man mit diesem zwar sehr teuren Objektiv dennoch eine Menge Geld spart, da man nicht eine einzelne 24er, 35er, 50er und 85er Festbrennweite kauft, sondern all diese Brennweiten in einem Zoom Objektiv kombiniert sind. Aber geht diese Rechnung wirklich so gut auf, oder leiden die Bilder doch unter erheblichen Qualitätsverluste? Dieser Frage gehe ich in diesem Blogbeitrag nach, da ich das Objektiv seit nunmehr 2,5 Jahren beinahe täglich benutze.
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Warum habe ich mich für dieses Objektiv entschieden?
Als ich meine Canon EOS 5D Mk IV im Jahr 2021 durch die Canon EOS R6 ersetzt habe, besaß ich einige Festbrennweiten des EF Systems und der Plan war, diese erst einmal mit dem passenden Adapter weiter zu benutzen. Nach den ersten Tests war ich aber ganz schön frustriert. Die Objektive waren durch den Adapter merklich langsamer und schränkten mich dadurch in der Arbeit mit den Hunden doch ziemlich ein.. zumindest, wenn man eigentlich gerne viele Bilder macht. Die Auswahl an RF Objektiven aus der L-Serie (also die Profi-Linie von Canon, erkennbar an dem roten Ring um das Objektiv) war zu dem Zeitpunkt allerdings noch ganz schön begrenzt. Außerdem hatte sich die Offenblende war ich durch die bisherigen Festbrennweiten durch die Offenblende sehr verwöhnt, was sich auch inzwischen zu einem wichtigen Stilmittel meiner Bilder entwickelt hatte.
So arbeite ich mit dem Objektiv
Ich habe mir mal die Metadaten einiger Fotoshootings genauer geschaut und tatsächlich verwende ich die Brennweiten zwischen 28-35mm mit Abstand am liebsten. Da kann ich defintiv nicht verleugnen, dass lange eines meiner Lieblingsobjektive eine 35mm Festbrennweite war. Hauptsächlich hat das Objektiv für mich natürlich zwei Einsatzgebiete: die Hunde Fotoshootings für meine KundInnen und die Wanderungen mit meiner Hündin Malia. Bei den Fotoshootings nutze ich es am liebsten für die Ganzkörper-Aufnahmen des Hundes, für die gemeinsamen Hund-Mensch-Bilder und die etwas näheren Hundeportrait, die durch die kürzere Brennweite 3dimensionaler Wirken als mit einem Teleobjektiv. Die Brennweite um die 70mm nutze ich tatsächlich fast nur dann, wenn ich einen Ausflug mit Malia mache, denn dann ist es das einzige Objektiv was ich mitnehme. Bei einem Hunde Fotoshooting wechsle ich dann lieber doch auf das Canon RF 70-200mm f/2.8 L IS USM Teleobjektiv, um eine noch stärkere Freistellung durch die lange Brennweite zu erhalten.
Die Blende lasse ich hier beinahe immer auf 2.0, schließlich muss sich der hohe Preis auch lohnen! 😉 Für mich macht es im Weitwinkel Bereich tatsächlich schon einen ziemlichen Unterschied, ob ich mit einer Blende von 2.0 oder 2.8 fotografiere, gerade bei den Landschaftsbildern finde ich es dadurch einfach so toll, dass bereits bei 28mm die Umgebung in einer leichten Unschärfe in den Hintergrund rückt und somit dem Hund zur vollen Präsenz verhilft. Denn schließlich soll den Vierbeinern die volle Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Hier siehst du einige meiner Lieblingsbilder, die mit dem Canon EF 28-70mm f/2.0 L USM entstanden sind. Du kannst sie ganz einfach vergrößern, indem du sie anklickst.
Aber das Gewicht...
Mit 1.430g ist es nicht gerade ein Leichtgewicht – und das Gewicht der Kamera kommt schließlich auch noch hinzu. Vor dem Kauf hatte ich hier tatsächlich große Bedenken, ob das so optimal für meine Arbeitsweise ist. Ich arbeite nämlich oft einhändig, in der rechten Hand liegt die Kamera und die linke Hand ist meist damit beschäftig die Aufmerksamkeit des Hundes in Richtung Kamera mithilfe Leckerlies oder einem Spielzeug zu lenken. Außerdem zweifelte ich, ob ich wirklich große Freude daran haben werde knapp 2kg Kameraequipment bei einer Wanderung mitzuschleppen.. schöne Fotos hin oder her, jedes Gramm mehr kann hier schon einen großen Unterschied machen. Inzwischen kann ich sagen: die Bedenken waren absolut unbegründet. Natürlich ist hier das Empfinden jeder Person unterschiedlich, ich bemerke das Gewicht aber nicht bewusst. Das mag zum einen natürlich an meinem tollen Hüftgurt liegen, in den ich die Kamera während der Fotopausen einhängen kann und dadurch nicht die Schultern belastet werden, natürlich gewöhnt sich aber auch die Muskulatur an die Belastung und die Bewegungen. Außerdem: wenn du wie ein normaler Mensch mit beiden Händen an der Kamera fotografierst und nicht wie ich zeitgleich mit Käsewürfeln zwischen den Fingern vor freudig sabbernden Hunden jonglierst, kannst du das Gewicht auch viel besser verteilen.
Das ist mein Eindruck der Bildqualität & Bildwirkung
Der rote Ring an dem Objektiv hält definitiv was er verspricht: wenn der Fokus sitzt, dann aber richtig! Der Autofokus reagiert blitzschnell und ist dabei absolut geräuschlos. Es macht mir eine riesen Freude die gemachten Bilder durchzusehen, da ich mir mit diesem Objektiv einfach sicher kann, dass die Bilder top sind – selbst bei Offenblende. Die Qualität und Bildwirkung ist einfach hervorragend und es macht einfach nur Spaß die Bilder zu bearbeiten weil man alle noch so winzigen Details erkennt. Mir sind in der ganzen Zeit noch keine chromatischen Aberrationen aufgefallen, und das obwohl ich am liebsten gegen die Sonne fotografiere und es hier eigentlich vor allem mit dunklen Hunden durch die starken Kontraste ein Knackpunkt sein könnte. Das ist es aber keineswegs. Ich finde auch, dass sich die Schärfe super bis in die Bildränder zieht und auch eine Verzerrung ist bei meiner Art zu fotografieren nicht wahrzunehmen. Dadurch spare ich mir also schonmal eine Menge Zeit und Nerven in der Bildbearbeitung. Einen einzigen kleinen Minuspunkt würde ich dennoch vergeben: ich finde die Vignette schon etwas stark und manchmal auch störend und tatsächlich finde ich, dass es einen hell leuchtenden Himmel nicht ganz so schön darstellt, wenn sich ein Hund in der Landschaft davor befindet. Aber das liegt natürlich nicht nur an dem Objektiv, sondern auch an der Kamera, dennoch hatte ich das Gefühl mit dem Canon EF 35mm f/1.4L II USM etwas einfacher schönere Bilder hinzubekommen. Da diese Bilder aber nur einen Bruchteil ausmachen und ich hier mit einer dunkleren Belichtung und etwas abblenden entgegensteuern kann, kann ich darüber getrost hinwegsehen. Ein bisschen eigene Arbeit muss man ja schließlich auch noch investieren und sollte nicht alles blind der modernen Technik überlassen.
Hier siehst du eine 100% Ansicht aus meinem Bildbearbeitungsprogramme Capture One bei einer Aufnahme von Shira mit dem 28-70mm. Trotz Bildrauschen durch ISO 1600 kann man noch jedes Detail erkennen. Durch die Bergkulisse habe ich etwas abgeblendet, die Qualität findest du aber schon ab Blende 2.0!
Ersetzt es mehrere Festbrennweiten?
Seit 2009 bin ich es gewohnt mit Festbrennweiten zu fotografieren. Ich war schon immer begeistert von der Schärfe und natürlich von dem Bokeh, welches man mit einem Zoom selten so smooth erhält. Während meines Abstechers in die Hochzeitsfotografie habe ich von 2015 bis 2019 zu 90% mit dem 35er und dem 85er fotografiert, was sich auch auf die Hundefotografie übertragen hat. Ich wechselte bei einem Hunde Fotoshooting ständig zwischen 35mm, 85mm, 100mm, 135mm und 200mm. Und auch wenn ich es nicht so gerne zugebe: ich gehöre zum Team der Pixel Peeper. Das heißt ich betrachte jedes Bild bei 100% Ansicht und überprüfe, ob es auch wirklich scharf ist. Und auch wenn das 28-70mm ein Zoom Objektiv ist, bin ich immer wieder überwältigt von der Qualität. Die Bilder sind bei getroffenem Fokus wirklich unfassbar scharf (selbst bei stärkerem Bildrauschen) und die Bildqualität ist absolut hervorragend. Dennoch würde ich behaupten, dass die Bildwirkung her nicht ganz an die einer Festbrennweite herankommt. Ehrlich gesagt interessiere ich mich nicht für die Physik und Technik in den Objektiven um wirklich begründen zu können, weshalb das so ist. Das ist allerdings wirklich meckern auf hohem Niveau und ganz ehrlich: viele Nicht-FotografInnen erkennen kaum den Unterschied einer Handykamera mit einem künstlich erstellten Bokeh zu den Bildern einer Systemkamera in Kombination mit einer Festbrennweite, daher darf man das Ganze je nach Einsatzgebiet meiner Meinung nach ruhig etwas entspannter sehen.
Mein Fazit - würde ich es nochmal kaufen?
Ganz ehrlich: ich habe dem EF 35mm f/1.4 L II USM noch lange nachgetrauert. Die Qualität und Bildwirkung war für mich einfach einzigartig, aber leider nur an meiner in die Jahre gekommenen DSLR und nicht an der neuen R6. Wenn es 2021 bereits eine vergleichbare RF Linse gegeben hätte, hätte ich sie sofort gekauft ohne auch nur das 28-70mm in Erwägung zu ziehen. Dennoch bin ich wirklich sehr glücklich mit dem Zoom Objektiv und nehme die nur leicht wahrzunehmenden Unterschiede gerne in Kauf. Vor allem bei den Wanderungen liebe ich die Flexibilität die ich mit dem Objektiv gewonnen habe, ohne ständig den schweren Wanderrucksack abnehmen zu müssen, um die Objektive zu wechseln. Auch während der Hunde Fotoshootings ist es für mich ein unfassbarer Gewinn nicht ständig Objektive zu tauschen. Somit kann ich mich einfach komplett auf den Hund einlassen und flitze nicht ständig zwischen Fotorucksack und Vierbeiner hin und her und das ist schließlich das worum es geht: echte Emotionen und wertvolle Erinnerungen einzufangen, auch wenn sie technisch mal nicht zu 100% perfekt umgesetzt sind. Ich denke nicht, dass dieses Objektiv die bereits genannten vier Festbrennweiten 1:1 ersetzt, aber wenn man auch gerne in einer Situation flexibel sein möchte und dennoch sehr offenblendig arbeitet, kann ich es wirklich wärmstens empfehlen.
Übrigens: wer nicht auf die Blende 2.0 angewiesen ist kann sogar sehr viel Geld sparen und auf das 24-70mm f/2.8L IS USM oder das 24-105mm f/4L IS USM zurückgreifen.
Dich interessiert mit welcher Ausrüstung ich noch so fotografiere?
In einem ausführlichen Blogbeitrag findest du alles einzeln aufgelistet – von Kamera, zu Objektiven hin zu Kleinteilen und Softwares.